Die Karwoche ist in Vico del Gargano (Fg) eine Zeit aufregender Ereignisse, an der die fünf Bruderschaften und beinahe die gesamte Bevölkerung teilnehmen. Die Bruderschaften sind in Vico ein unentbehrliches Element für das Überleben der völkischen Riten und Bräuche. Die Passionslieder übernehmen bei diesen Veranstaltungen mit ihrer besonderen natürlichen Dramatik vor allem die Funktion der akustischen Untermalung. Alle Mitglieder der Bruderschaften haben die Pflicht, singend daran teilzunehmen. Die typischen Passionsriten gipfeln in einer „Kirmes” festlicher choraler Gesänge. Die Suche nach mündlich überlieferter liturgischer und paraliturgischer Passionsmusik hat das Vorhandensein eines großen Spektrums an einstimmigen und mehrstimmigen, italienischen und lateinischen Liedern ergeben, die vor allem von den Laienbruderschaften gesungen wurden. Unter diesem Gesichtspunkt nimmt Vico eine besondere Stellung im Vergleich zu anderen Ortschaften auf dem Gargano ein, wo die Gesangstradition langsam erlischt oder zumindest eine Seltenheit darstellt. Diese antike Besonderheit hat im Laufe der Zeit viele Wissenschaftler und Liebhaber von Volkstraditionen nach Vico gebracht. Die „Canti della Passione” (Passionslieder) von Vico del Gargano wurden auch zu Studienzwecken von den Wissenschaftlern Salvatore Villani und Giovanna Marini auf eine CD aufgenommen, die 2007 veröffentlicht wurde. Die größte italienische Volksliedersängerin schildert in ihrem Buch mit Begeisterung den herrlichen mehrstimmigen Gesang des „Miserere”. Sie schreibt: „Wenn sich die Prozession in Bewegung setzt, stimmt die erste Gruppe das Miserere an, gefolgt von der zweiten usw... so bewegt sich dieser Zug mit all diesen volltönenden männlichen Stimmen voran. Die Wirkung ist hinreißend, wir beginnen alle vor Rührung zu weinen. Schluchzend wähle ich die Nummer von Patrizia Bovi, damit auch sie dieses außergewöhnliche Miserere von Vico hört”.