Am Freitag vor dem Palmsonntag beginnen die Riten der Karwoche. Die Erzbrüderschaft „dell’Orazione della Morte (des Gebets und des Todes)” eröffnet diese mit der ersten Prozession. Das Simulakrum venezianischer Schule aus dem Jahr 1700 wurde aus Holz geschaffen und besitzt einen Fuß.
Mit dem Gründonnerstag beginnen die eigentlichen Riten der Karwoche. Nach der Heiligen Messe, die „in Caena Domini” genannt wird, beginnt die Bruderschaft „del Carmine”, auch „Pappamusci“ genannt, barfuß mit einem Stab in der Hand, mit einem Hemd bekleidet und die Gesichter mit Kapuzen verhüllt, die traditionelle Heilige Bußprozession, bei der sie alle Kirchen von Francavilla besucht und auf den Knien vor dem Altar, dem sog. „Sepolcro (Heiliges Grab)” beten.
Am Morgen des Karfreitags wird der Bußgang mit den Prozessionen der Madonna Addolorata (Schmerzensmutter) bzw. der „Desolata (der Untröstlichen)” fortgesetzt. Die Bürger der Stadt folgen der Prozession der Madonna in tiefer Ehrfurcht und andächtigem Schweigen, das nur durch den typischen Klang der „Trenule (Ratschen)”, hölzerne Instrumente, die laute Geräusche erzeugen, unterbrochen wird. Die Prozession setzt sich aus sechs Bruderschaften zusammen, die jeweils in Dreiergruppen unterteilt sind. Jedes Jahr nimmt eine teil, entweder die mit dem Namen „ti li purieddi” (Armen) oder die andere mit dem Namen „ti li ricchi” (der Reichen).
Am Abend steht die Stadt still, die Holzinstrumente mit den metallenen Federblättern klagen ihre Trauer und ihre Anteilnahme am Tode Jesu. Die Heiligen Mysterien unter Beteiligung aller Bruderschaften, jede in ihrer Tracht, bringen die Tradition und den tiefen Glauben an Christus zum Ausdruck. Die Prozession nimmt bei der Kirche der Santa Chiara ihren Ausgang, während sich in der Zwischenzeit der große Platz vor der Mutterkirche mit Menschen füllt, die mit Ungeduld die Ankunft der wunderbaren Statuen erwarten. Es erklingt eine „Tremula” (Ratsche) und die Prozession beginnt. Aus der Kirche kommt das schwarze Kreuz der Mysterien mit den Symbolen der Passion Christi auf seinen Armen. Wiederum auf das Zeichen einer Ratsche hin tragen die Mitglieder der Bruderschaft „della Orazione della Morte (des Gebets und des Todes)” die Statue Christi mit dem Brot heraus, die erste der Statuen, die den Kreuzweg darstellen. Es folgt die ergreifende Statue von „Christus am Ölberg” wo er den „bitteren Kelch” erhält. Die Statue wird mit großer Hingabe von den Mitgliedern der Bruderschaft „dell’Orazione della Morte (des Gebets und des Todes)” getragen. Die Atmosphäre wird von einer Musikkapelle unterstrichen, die ergreifende Trauermärsche spielt, während weitere Statuen vorüberziehen, wie jene, die Christus als Gefangenen darstellet, mit einem Strick um den Hals, die Hände in Fesseln. Es folgt die Statue von Christus an der Säule, gegeißelt und mit Dornen gekrönt. Danach kommt langsam Christus mit dem Schilfrohr heraus, mit gefesselten Händen, auf dem Haupt die Dornenkrone und mit einem roten Umhang bekleidet. Überraschend ist die Statue des „Falls Christi unter dem Kreuz”, Christus, der blut- und schweißüberströmt unter der Last des Kreuzes stürzt. Dieser Statue folgen dann die Kreuzträger, „li pappamusci cu li trai” genannt, Buße tuende Gläubige in Hemden, verziert mit Mäanderbändern, die ihre Zugehörigkeit zeigen. Aus Frömmigkeit und Buße tragen sie schwere Kreuze, die sie selbst aus unterschiedlich großen Baumstämmen angefertigt haben. Die Büßer gehen barfuß und schleppen die Kreuze mit großer Mühe den ganzen Weg, um Vergebung zu erlangen. Am Ende kommt Christus am Kreuz heraus, gefolgt vom „Heiligen Grabtuch”. Dieses besteht aus einem schwarzen Kreuz zum Gedenken an den Tod Jesu, auf dem ein Grabtuch hängt. Auf dem Platz vor der Mutterkirche wird die Stille nur von den Musikkapellen unterbrochen, die ergreifende Trauermärsche spielen. Es folgt die Statue des „Cristo Morto” (des toten Christus). Sie ist horizontal angefertigt und wurde früher von den Priestern des Kapitels getragen, begleitet von den Prinzen Imperiali und dem Rektor der Universität. Der prächtige Zug der Mysterien wird von der Statue der weinenden Schmerzensmutter abgeschlossen.
Die Bruderschaft der Immacolata beschließt die Riten der Karwoche mit der Prozession des auferstandenen Christus.