Die Kreuzträger besuchen die „s-bbulcr” (sepolcri = Heilige Gräber) der verschiedenen Kirchen, durchqueren auf Knien das Kirchenschiff, nachdem sie am Eingang das Kreuz abgelegt haben und „züchtigen" sich, indem sie sich mit den Eisenketten, die sie auf der Straße an den Füßen tragen, auf die Oberarme schlagen.
Auf dem Vorplatz der Kirche der Madonna della Lama brennt in der Nacht ein großer Scheiterhaufen, der von der Bevölkerung während der Fastenzeit Scheit für Scheit aufgebaut wurde, um eine gute Ernte zu erbitten. Es soll vielleicht symbolisch das Feuer im Vorhof des Prätoriums darstellen, in dem Petrus drei Mal seinen Herrn leugnete.
„Craocia Vecchie”, das älteste Kreuz (nicht wegen seines tatsächlichen Alters, sondern wegen der Anzahl der Bußstunden), hat das Privileg von einer kleiner Menge Gläubiger, umgeben von Kindern mit Fackeln und „Troz-zue" (Klappern), begleitet zu werden. All das soll an die Prätorianergarde erinnern, die Jesus unter dem Spott der Menge vor seiner Verurteilung von Caifa zu Pilatus führte.
Unsere Karwoche ist stark komprimiert auf zwei Nächte und es verlangt den Gläubigen beträchtliche Mühe ab, den drei Prozessionen zu folgen, die viele Stunden dauern. Die Prozession des Cristo Morto (des toten Christus) und der Grablegung wird die „Prozession der Naka” genannt. Der Grabschrein in Form einer Wiege, die sogenannte „Naka" (aus dem Griechischen), wird langsam mit wiegenden Schritten getragen.
Um zwei Uhr nachts, wenn die Lichter auf den Straßen erlöschen, beim Licht des vollen Aprilmondes und dem Schein der roten Kerzen, die auf allen Balkonen brennen, zieht die zweite Prozession von der Mutterkirche weg. Es ist die Schmerzensmutter, die umgeben von den Trauer tragenden Frauen und Kreuzträgern die ganze Stadt durch-quert, von einer Kirche zur anderen, auf der Suche nach ihrem Sohn. Die Sonne steht schon hoch am Himmel, wenn die „Viacroci" nach dem mühevollen Weg auf dem Vorplatz der Mutterkirche den Mantel der Madonna küssen und damit die Bußprozession abschließen. Die Statue aus dem 18. Jahrhundert ist sicher die schönste der Stadt, wegen des wirklichkeitsnahen und berührenden Ausdrucks ihres tränenüberströmten Gesichts.
Die Prozession der Mysterien am Nachmittag des Karsamstags ist die letzte. Alle Stationen der Passion Christi mit den Personen, die ihm zum Golgota folgten, ziehen in einer langen und feierlichen Prozession zur Kirche der Madonna della Lama.