Am Gründonnerstag veranstaltet die Bruderschaft die Bußprozession der „Perduni". Die Mitglieder der Bruder-schaft ziehen langsam, mit dem charakteristischen, hin und her schwankenden Gang, paarweise, barfuß und das Haupt zum Zeichen der Buße mit einer Kapuze bedeckt zum Sitz der Bruderschaft in der Mutterkirche, um dort Jesus in der Eucharistie anzubeten. Diese antike Tradition wurde der Bruderschaft direkt von den Karmeliter-mönchen überliefert, die jedes Jahr zum Zeichen ihrer Hingabe das Kloster verließen und das palästinische Ge-birge überquerten, um den Ort aufzusuchen, an dem Christus begraben ist.
Dort beteten sie und meditierten über die Passion Christi. Infolge der sarazenischen Übergriffe um das Jahr 1235 kamen die Mönche nach Europa und da sie nicht mehr nach Palästina zurückkehren konnten, holten sie die Er-laubnis der Kirche ein, Jesus am Gründonnerstag, dem Tag des Letzten Abendmahls, an den entsprechenden Orten in der Eucharistie anbeten zu dürfen. Dieses religiöse Ereignis zieht viele Menschen an, die der Bußpro-zession beiwohnen und die Heiligen Gräber besuchen wollen.
Um ungefähr 15:30 Uhr wird das Tor des antiken Sitzes der Brüderschaft geöffnet und an der Schwelle der Kirche erscheint das erste Mitglied der Bruderschaft, das mit verhülltem Antlitz und barfuß, in einer Hand den Pilgerstab und in der anderen die Ratsche die „Karfreitagsprozession" anführt, die seit mehr als 3 Jahrhunderten in Pulsano stattfindet. Diese Prozession ist die schönste, bedeutungsvollste, tiefst empfundene und anspruchsvollste ihrer Art und lockt eine große Anzahl von Gläubigen in das Gebiet von Pulsano (TA). Der Prozessionszug setzt sich aus drei Symbolen, der Ratsche, der Prozessionsfahne und dem Kreuz der Mysterien sowie 8 Statuen zusammen, die die Passion Christi darstellen. Die Ratsche ist ein hölzernes, etwa ein Meter langes Schrapinstrument mit 6 Feder-blättern aus Metall. Wenn die Ratsche nicht gedreht wird, hält sie der Ratschenträger fest unter dem Arm, damit sie keinen Lärm erzeugt. Die schwarze Prozessionsfahne der Bruderschaft, als Zeichen der Trauer, hat die Form eines Segels mit einem runden handgemalten Bildeinsatz in der Mitte, auf dem die Madonna del Carmine und die Seelen des Fegefeuers dargestellt sind. Ein weiteres, sehr bedeutendes Sinnbild der Prozession ist das „Kreuz der Mys-terien", auf dem sämtliche Symbole der Passion Christi angebracht sind. Nach diesen drei Symbolen kommen die Statuen der Mysterien heraus, die nicht nur sehr ausdrucksvoll sondern auch wunderschön und von unschätzba-rem künstlerischen Wert sind. Sie bestehen aus Holz, besitzen Augen aus Kristall und wurden von Holzschnitzern der neapolitanischen Schule in Handarbeit hergestellt. Die ersten Statuen und zwar Christus am Ölberg, Christus an der Säule, Ecce Homo und Jesus, der unter dem Kreuz fällt, wurden vom Holzschnitzer Giuseppe Greco in den Jahren 1834/36 hergestellt, während jene des „Cristo Morto" (des toten Christus) vom neapolitanischen Künstler Giuseppe Pagano im Jahre 1799 aus einem einzigen Holzblock geschnitzt wurde. Die hölzerne Statue der Vergine Santissima Addolorata (Schmerzhafte Jungfrau) stammt hingegen von einem unbekannten Künstler. Sie ist jedoch in den Verzeichnissen der beweglichen Güter der Bruderschaft seit den ersten Jahren des achtzehnten Jahrhunderts angeführt. Die einzige Statue, die nicht aus Holz sondern aus Pappmaché nach leccesischer Schule gefertigt ist, ist die Figur des Gekreuzigten. Aber auch diese ist sehr wertvoll und hat Augen aus Kristall. Die Symbole und Statuen durchqueren die Straßen der Stadt, wobei die Träger mit dem typisch schwankenden Gang dem Rhythmus der Trauermärsche folgen, den die Musikkapellen der Stadt Montemesola unter der Leitung von Maestro Beniamino Casavola und der Stadt Pulsano spielen. Die wunderschöne Statue des „Cristo Morto" (des toten Christus) wird von zwei Carabinieri in Paradeuniform und vier Reitern begleitet, als Ehrenschutz, der einst den Adeligen der Stadt und jetzt den Gläubigen vorbehalten ist, die sich durch gute Taten gegenüber der Brüderschaft und der Kirche auszeichnen und vom Prior der Bruderschaft ausgewählt werden. Am Abend, wenn die letzten Sonnenstrahlen die Statuen vor dieser eindrucksvollen Kulisse in ihren pfirsichfarbenen Schein hüllen, ziehen die Statuen im Rhythmus der harmonischen Klänge schwankend ihrem Ziel entgegen. Um drei Uhr Nachts klopft der Ratschenträger drei Mal an das Tor der Bruderschaft, das sich daraufhin öffnet und alle Büßer, gefolgt von den Symbolen und den Mysterien-Statuen einlässt. Die eindrucksvolle Prozession endet in den ersten Mor-genstunden.